Britta ist 26 und lebt in Berlin. 2015 führte ihr Weg sie nach Seoul, wo sie fast 4 Jahre lebte. Wie sie als Busenfreundin die queere Szene Südkoreas erlebte und wie Beziehungen dort aussehen, erfahrt ihr exklusiv bei „Busenfreundin – das Magazin“!
Jeden Tag aufs Neue geht die Sonne über Seongbuk-gu auf. Hier, fernab von Touristengegenden, fand vier Jahre lang das alltägliche Leben der 26-jährigen Berlinerin Britta statt. Als es sie in den Norden Seouls zog war sie gerade 21. Dass man es als homosexueller Mensch in Südkorea nicht immer leicht hat, zeigte sich im Alltag immer wieder.
„Transsexualität“, so erzählt sie, „ ist gesellschaftlich akzeptierter als Homosexualität, solange man als transidente Person die gesellschaftliche Rolle des Geschlechts ausfüllt, als das man leben möchte“. Stimmt das Bild nach Außen und wird eine heteronormative Beziehung gelebt, ist für die Menschen alles in Ordnung. Homosexuelle passen nicht in dieses gesellschaftlich kreierte Bild. Beziehungen zwischen zwei Frauen oder zwei Männern – undenkbar. In den Augen der Gesellschaft existierte diese Form der Zuneigung lange Zeit gar nicht. Jetzt herrscht eine gleichmäßige Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Sexualität gegenüber. Bei einem Outing drohen der Verlust der Familie, des Arbeitsplatzes und der Freundschaften. „Bei Teenagern ist vor allem Mobbing ein Problem. Viele LGBTQs haben psychische Probleme, wie Depressionen oder Angststörungen.“.
Homosexuelle Gleichstellung wird abgelehnt
Von der Politik gibt es kaum Unterstützung. Die wenigen Politiker, die sich für Diversität und Vielfalt aussprechen, gehören kleinen Parteien an, die im Gesamtkonstrukt der Politik keine entscheidende Rolle spielen. Bei der Präsidentschaftswahl 2017 zeigte sich das in einer Debatte um die Gleichstellung von Homosexuellen. Die Gleichstellung wurde von allen Kandidaten abgelehnt mit einer Ausnahme: Die Kandidatin der „Justice Partei“, Sim Sang-jung, plädierte als Einzige dafür. Die Partei hatte nur sechs von 300 Parlamentssitzen inne. Ein kleiner Teil im Vergleich mit wenig Chancen auf Durchsetzung.
Die gesellschaftlichen Reaktionen auf solche Debatten sind deutlich. „In Korea herrscht freie Meinungsäußerung und generell ist es ein sehr friedliches Land“, so Britta. „ Hass-Kommentare im Internet sind jedoch häufig und finden sich immer unter den Nachrichtenartikeln, die das Thema behandeln und richten sich dann auch gegen die betreffenden Politiker.“
Obwohl die derzeit noch ablehnende Haltung der Südkoreaner eine Ehe homosexueller Paare nicht erlaubt, gibt es Hoffnung. Strafverfolgung durch das System gibt es nicht und die jüngeren Generationen öffnen sich zunehmend. „In Seoul ist die Situation am entspanntesten. Hier leben mehr junge Menschen und viele sind generell toleranter gegenüber ‘Anderem’, seien es Ausländer oder eben die sexuelle Orientierung“, erklärt die Berlinerin. An touristischen Hotspots sei sogar Händchenhalten möglich, wenngleich die meisten Südkoreaner diese Geste eher als freundschaftlich interpretierten. Gewalt sei selten, aber Tuscheleien und üble Blicke erlebe man teilweise dennoch, sobald klar werde, dass es sich nicht um bloße Freundschaft handelt.
Dating, wo es offiziell keine Homosexualität gibt
Wie lernt man unter solch schwierigen Umständen potenzielle Partner*innen kennen? Eine offene Ansprache auf der Straße ist nicht möglich. Britta führt aus: „Korea ist das Land der Digitalisierung und es gibt eine freie Presse, daher gibt es ein relativ gutes Angebot an Apps und Websites für LGBTQ-Menschen”. Auch ihre eigenen Partnerinnen lernte sie auf diesem Wege kennen. Dabei fielen ihr auch einige Unterschiede zu Europa auf. Das Kennenlernen verläuft ihrer Empfindung nach digitaler als in Europa. „Viel mehr Nachrichten schreiben und telefonieren. Außerdem, während man in Deutschland ‘du & ich’ ist, wird man in Korea zum ‘wir’, das heißt die eigene Individualität rückt in den Hintergrund“. Beziehungen in Korea werden in der Erwartung geschlossen, dass beide Partner*innen ein Stück ihrer Individualität aufgeben, um den Wünschen des jeweils anderen in Kleidung, Aussehen oder Verhalten zu entsprechen. „Es wird erwartet, dass die Beziehung immer an erster Stelle steht und dass man seine Zeit immer nach der Partner*in richtet. “
Das merkt man auch an der sogenannten Couple Culture in Korea. Es gibt Couple-Ringe, Couple-Shirts, Couple-Schuhe und vieles mehr. Viele Freizeitaktivitäten sind auf Paare ausgerichtet und viele Reiseorte werben mit tollen Motiven für Couple-Fotos. „Für mich war es schwer, das zu akzeptieren, da für mich immer galt ‘ich will so geliebt werden, wie ich bin.'” Zu der Aufgabe der eigenen Individualität gehört oft auch das Wegbrechen anderer sozialer Kontakte. Wenn Brittas Freund*innen eine Beziehung führten, waren sie oft für eine Weile kaum erreichbar und meldeten sich erst wieder, wenn sie wieder Single waren.
Familie und Arbeitsplatz – unsicheres Terrain
Ein Outing bei der Familie verläuft sehr unterschiedlich und kommt stark auf die Familie an. Viele Freunde der 26-Jährigen sind bei ihrer Familie gar nicht oder nur bei einem Teil geoutet. Meist seien das Geschwister und Mutter. „Viele Familien verstoßen ihre Kinder“, sagt Britta und fügt hinzu: „Mir sind auch mehrere Fälle bekannt, bei denen die Eltern ihre Kinder zu Ärzten gebracht haben, um diese von ihrer Homosexualität zu heilen. Einige haben auch Medikamente ‘dagegen’ bekommen“.
Es gibt jedoch auch Familien, die nach einiger Zeit damit zurecht kommen. „Bei zwei meiner Beziehungen, die ich in Korea hatte, wusste die Familie Bescheid und wir haben uns gut verstanden.“ Liebesbekundungen vor den Eltern gibt es dennoch nicht. Sie gelten generell als respektlos. „Man wird bei den Eltern eigentlich wie eine gute Freundin der Partnerin behandelt, das heißt man unterhält sich über eher belanglose Dinge und isst gemeinsam oder schaut gemeinsam fern. Die Möglichkeit der Familiengründung bleibt dabei außen vor, da es für die ältere Generation in Korea nicht vorstellbar ist, dass zwei Frauen oder zwei Männer Kinder haben. Bei meinen Partnerschaften war es immer so, dass es noch eine Hetero-Schwester gab, auf die man dann die Hoffnungen setzte“. Regenbogenfamilien gibt es laut Britta höchstens im Verborgenen – „aber selbst ich habe nie so eine Konstellation gesehen“.
Am Arbeitsplatz ist ein Outing nahezu unmöglich. Britta erlebte selbst einige Fälle, in welchen Arbeitnehmer*innen aufgrund ihrer Homosexualität ihren Job verloren. Dagegen tun konnten sie nichts. Da es in Korea keine Anti-Diskriminierungsgesetze gibt, ist die Kündigung aufgrund der sexuellen Orientierung legal.
Queer Culture – Sichtbarkeit für die LGBTQ+ Community!
Damit sich das ändert, engagieren sich NGOs für die Rechte der LGBTQ Community. Auch universitär wird mittlerweile einiges gegen Diskriminierung getan. Viele Universitäten verfügen über eine eigene Anti-Diskriminierungsstelle oder LGBTQ-Organisationen, welche sich für die Community einsetzen. Auch Botschaften einiger Länder, darunter die Deutsche Botschaft in Seoul, kämpfen für mehr Akzeptanz, indem sie über queeres Leben informieren und bei Festivals präsent sind.
Obwohl die queere Community medial noch nicht ausreichend vertreten ist, steigt die Sichtbarkeit mit jedem Jahr. „Einen schwulen oder Trans-Charakter findet man hin und wieder im TV, lesbische Charaktere hingegen gibt es so gut wie gar nicht. Dafür gibt es eine wachsende Youtube-Szene, in der lesbische Paare über ihre Erfahrungen berichten oder Interviews mit anderen Busenfreundinnen führen.“.
Auch das jährlich stattfindende Queer Culture Festival wird jedes Jahr besser besucht und findet in mehreren großen Städten statt. Die restliche Zeit des Jahres kann man verschiedene Bars und Clubs für die LGBTQ+-Community besuchen, welche sich meist in Itaewon oder Hongdae befinden. Besuche laufen vermehrt über Kontakte, da Werbung oder Informationen rar sind und die Locations schwer auszumachen – „Eine Bar heißt z.B. einfach nur ‘6. Stock’“.
Einen Abschluss-Tipp hat Britta auch für euch:
„Im Jahr 2016 kam außerdem der Film ‘The Handmaiden’ ins Kino, die koreanische Version von ‘Fingersmith’. Dieser Film hatte auch beim Mainstreampublikum Erfolg und ist auch einer meiner persönlichen Lieblingsfilme. Also unbedingt anschauen!“.
Was denkt ihr über das Busenfreundinnen-Dasein in Südkorea? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreibt es uns in die Kommentare!
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