Autorin: Patricia Bauer
Max Ernst vom US-amerikanischen Indie-Pop-Trio SHAED ist schwul und setzt sich – gemeinsam mit seiner Band – für mentale Gesundheit und die Belange von trans Menschen ein. Wie sein Coming-out verlief, was sich in der US-amerikanischen Musikindustrie ändern muss und ob das neue Album auch LGBTIQ+-Themen aufgreift? Das und mehr lest ihr im exklusiven Interview mit „Busenfreundin – das Magazin”!
Die mit Multi-Platin gekrönte Band SHAED stammt aus Washington D. C. und existiert seit 2011. Neben Max besteht das Trio aus seinem Zwillingsbruder Spencer und dessen Frau Chelsea Lee. Max und Spencer spielen beide mehrere Instrumente – unter anderem Keyboard, Schlagzeug und Gitarre. Chelsea singt.
Nachdem die Band 2018 mit dem Song „Trampoline” internationale Erfolge feierte, meldet sie sich nun mit dem Debüt-Album „High Dive” zurück.
Busenfreundin-Magazin: Max, am 14. Mai erschien euer Debüt-Album „High Dive”. Woher nehmt ihr die Inspiration für eure Musik? Welche Geschichten erzählt ihr in euren Songs?
Max: SHAED besteht aus meinem Zwillingsbruder, seiner Frau Chelsea und mir. Mit meinem Bruder mache ich schon seit ich denken kann zusammen Musik. Chelsea kenne ich, seit wir 16 Jahre alt sind. Wir sind uns also so nah, wie man es in einer Band nur sein kann. Durch das starke Vertrauen, das wir zueinander haben, können wir in unseren Songs super ehrlich und persönlich sein.
Unser Debüt-Album ist die Krönung der zehn Jahre, die wir schon zusammen arbeiten. Während der Pandemie hatten wir ein ganzes Jahr lang Zeit, die Songs zu kreiieren. Der Zustand der Welt hat eine gewisse Verletzlichkeit in uns dreien hervorgerufen. Diese hat sich meiner Meinung nach auch auf das Songwriting übertragen.



Busenfreundin-Magazin: Ihr plant, einen Teil der Erlöse, die mit dem Album erzielt werden, an die Organisation „Teen Line” zu spenden, die sich um mentale Gesundheit kümmert. Warum liegt euch dieses Thema am Herzen?
Max: Wir drei hatten in der Vergangenheit schon einmal mit unserer psychischen Gesundheit zu kämpfen. Aber die Pandemie hat eine neue Ebene von Angst und Depression hervorgebracht, die wir vorher nicht kannten. Wir konnten uns aufeinander und auf unsere Familie stützen, um diese Zeit zu überstehen. Leider hat nicht jeder das Glück, so viel Unterstützung zu erhalten.
Unser Song „Part Time Psycho” handelt speziell von den verrückten emotionalen Stimmungsschwankungen, die wir erlebten – wir wachten auf und fühlten uns relativ normal, aber am Ende des Tages hatten wir das Gefühl, dass die Welt um uns herum zusammenbricht. Wir schrieben diesen Song um unseren Fans zu zeigen, dass es in Ordnung ist, in dieser Zeit nicht in Ordnung zu sein.
Wir wollten mit einer Organisation zusammenarbeiten, die jungen Menschen mit psychischen Problemen hilft. „Teen Line” bietet erstaunliche Ressourcen für Teenager. Sie können eine Hotline anrufen und mit einem geschulten Berater im Teenager-Alter sprechen. Dieser kann sich auf eine Weise in sie hineinversetzen, wie Erwachsene es nicht können. Wir sind sehr stolz darauf, einen kleinen Beitrag zu dieser wichtigen Arbeit zu leisten.
„Ich hatte das Gefühl, meine Sexualität verstecken zu müssen, um in der Musikbranche zu bestehen!”
Max von SHAED im Interview
Busenfreundin-Magazin: Du bist selbst gay. Wie verlief dein Coming-out? Wie reagierte dein Umfeld?
Max: Ich habe großes Glück. Mein Zwillingsbruder und seine Frau haben mich so sehr unterstützt – ebenso wie meine gesamte Familie und enge Freunde. Ich weiß, dass das Coming-out nicht bei jedem so gut verläuft. Daher nehme ich das nicht als selbstverständlich hin.
Busenfreundin-Magazin: Hattest du jemals bedenken, deine Sexualität öffentlich zu machen? Hattest du Angst, dass es deiner Karriere oder dem Erfolg von SHAED schaden könnte?
Max: Als ich jünger war, war ich absolut besorgt darüber, wie meine Sexualität meine Karriere beeinflussen würde. Das war ehrlich gesagt einer der Hauptgründe, warum ich mich in der Highschool noch nicht geoutet habe. Nachdem ich aufs College ging, hat sich etwas in mir verändert: Ich wusste, dass ein offener Umgang mit meiner Sexualität der einzige Weg war, wirklich glücklich zu sein.
Busenfreundin-Magazin: Als wie queer empfindest du die US-amerikanische Musikszene? Was läuft gut, wo gibt es Verbesserungsbedarf?
Max: Als ich mich geoutet habe, gab es an der Spitze der Charts noch keine schwulen Ikonen wie Lil Nas X. Er ist erstaunlich mutig und stolz – ich wünschte, ich hätte damals einen Künstler wie ihn gehabt, zu dem ich hätte aufschauen können. Stattdessen hatte ich das Gefühl, meine Sexualität verstecken zu müssen, um es in der Musikbranche zu schaffen.
Im Rap- und R&B-Bereich scheint die Präsenz von LGBTIQ+ Künstlern ständig zu wachsen: Es gibt zum Beispiel Frank Ocean, Kevin Abstract, Tyler the Creator, Lil Nas X oder Janelle Monae, um nur einige zu nennen. Ich würde gerne eine größere Präsenz von LGBTIQ+ Künstlern im Bereich der Country-Musik sehen – obwohl es bereits Künstler wie Orville Peck und den kürzlich geouteten T.J. von den Brothers Osborne gibt. T.J. ist der erste offen schwule Künstler, der bei einem großen Country-Label unter Vertrag steht.
Busenfreundin-Magazin: Spielen LGBTIQ+-Themen in eurer Musik eine Rolle? Können wir uns womöglich über eine neue queere Hymne aus eurer Feder freuen?
Max: Wir haben bereits eine queere Hymne auf unserem neuen Album „High Dive”: Der Song heißt „Colorful” und ist für mich sehr persönlich. Beim Coming-out vor meinem Zwillingsbruder und seiner Frau war ich 19. Das war eine der stärksten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. Schwul zu sein war etwas, das ich so tief in mir vergraben hatte, dass nicht einmal mein Zwillingsbruder und mein bester Freund die geringste Ahnung hatten. Als ich es ihnen sagte und sie mich mit offenen Armen empfingen, festigte das unsere – lebenslange – Verbindung.
„Colorful” handelt von diesen Erfahrungen. Mit dem Song wollen wir die Botschaft von Liebe und Akzeptanz verbreiten und so einen positiven Einfluss auf die LGBTIQ+-Community ausüben. Unser Plan: Wir erstellen Remixes mit anderen LGBTIQ+-Künstlern. Der gesamte Erlös geht an einen DC-Fonds namens „Give Pride 365″ – dieser stellt Ressourcen für LGBTIQ+-Organisationen in DC (Washington D. C., Anm. d. Red.) bereit. Das Projekt heißt „The Colorful Campaign” und startet am 11. Juni.
„Die Anti-Transsexuellen-Gesetze in den USA sind schrecklich!”
Max von SHAED im Interview
Busenfreundin-Magazin: Du setzt dich auch stark für Belange von trans Menschen ein. Wie bewertest du die Situation in den USA, nachdem beispielsweise der Bundesstaat Alabama ein scharfes Anti-Transsexuellen-Gesetz erlassen hat?
Max: Es ist schrecklich. Es gibt mehr als 250 Anti-LGBTIQ-Gesetze, die von den Gesetzgebern in Erwägung gezogen werden. Davon zielen 120 direkt darauf ab, die Rechte von Transsexuellen einzuschränken.
Das zeigt, dass unsere Community, die die Vielfalt feiert, zwar schon weit gekommen ist – es aber immer noch eine Menge Leute gibt, die nicht wollen, dass alle die gleichen Rechte haben. Es erinnert uns daran, dass wir, die an Gleichberechtigung glauben, weiter für Trans-Rechte kämpfen müssen.
Busenfreundin-Magazin: Siehst du einen Unterschied darin, ein junger queerer Mensch in den USA oder in Europa zu sein?
Max: Es gibt Orte in den USA, an denen man selbstbewusst als LGBTIQ+ Person leben kann. Und es gibt andere Orte, an denen man sich unsicher fühlt. Ich denke, das gilt auch für Europa, nur dass die Abstufungen noch extremer sind – je nachdem, in welchem Land man lebt.
Ich denke, durch flächendeckenden Internetzugang auf der ganzen Welt wird die Pride-Bewegung mehr und mehr zu einer globalen Bewegung und die LGBTIQ+ Gemeinschaft jeden Tag stärker.



Busenfreundin-Magazin: Was würdest du einem jungen Menschen raten, der mit seiner:ihrer Sexualität oder Identität hadert und das Coming-out noch vor sich hat?
Max: Ich glaube nicht, dass es jemals einen „richtigen” oder „falschen” Zeitpunkt für das Coming-out gibt. Ich hoffe, dass jeder, der mit seiner Sexualität oder Geschlechtsidentität kämpft, jemanden hat, dem er vertrauen kann. Und vor dem er sich öffnen kann. Als ich mich noch versteckt habe, war es schwer für mich, es für mich zu behalten.
Busenfreundin-Magazin: Plant ihr, wenn Corona es wieder zulässt, für Konzerte nach Deutschland zu kommen?
Max: Ich bin zu 75 Prozent Deutscher – daher der Nachname Ernst. Deswegen glaube ich, dass es mein Schicksal ist, mal eine Show in Deutschland zu spielen! Es steht ganz oben auf meiner Wunschliste.
Busenfreundin-Magazin: Gib uns Bescheid, wenn es soweit ist! Danke für das spannende Interview!
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