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Busenfreundin International

„Die Schweiz wartet auf die Ehe für Alle!” – Politikerin Barbara Stucki im Interview

Autorin: Patricia Bauer

Während die Ehe für Alle in Deutschland im Oktober 2017 eingeführt wurde, kämpft die Schweizer LGBT-Community noch. Vor wenigen Tagen ging es einen entscheidenden Schritt voran: Der Nationalrat billigte einen Gesetzesentwurf, der gleichgeschlechtliche Paare heterosexuellen völlig gleichstellt. Warum der Kampf damit aber noch lange nicht gewonnen ist und was jetzt noch passieren muss, damit die Ehe für Alle rechtskräftig wird, weiß Politikerin Barbara Stucki aus dem Kanton Bern.

Die 32-jährige Busenfreundin ist seit Frühjahr 2018 in politischen Ämtern unterwegs. In einem exklusiven Interview gewährt sie „Busenfreundin – das Magazin” Einblicke in das politische System der Schweiz und verrät, wie es mit der Ehe für Alle weitergeht.


Busenfreundin-Magazin: Barbara, du bist in der Schweizer Politik tätig. Welche Ämter bekleidest du und für welche Werte steht deine Partei?

Barbara Stucki: Ich bin Großrätin des Kantons Bern, also Mitglied unseres Kantonsparlaments. Ich politisiere für die Grünliberale Partei. Die Partei ist – wie der Name vermuten lässt – aus Mitgliedern der Liberalen FDP und der Grünen Partei entstanden. Wir sind überzeugt, dass politische Entscheide in allen Dimensionen nachhaltig sein sollten.

Wir setzen uns beispielsweise für eine gesunde und prosperierende Wirtschaft ein, die sich nicht zulasten der Umwelt oder des sozialen Gleichgewichts entwickelt. Zudem sind uns liberale Werte und eine gleichgestellte und eigenverantwortliche Gesellschaft wichtig.

Busenfreundin-Magazin: Warum bist du in die Politik gegangen?

Barbara Stucki: Weil ich mich von den amtierenden PolitikerInnen nicht repräsentiert fühlte. Ich hatte den Eindruck, dass zu viele ältere Herren nur für ihre Lobbys politisieren. Und dass die Anliegen der Jungen, der Frauen und natürlich der queeren Menschen zu wenig vertreten werden. Ich will den Menschen als jüngere, karriereorientierte Frau und Lesbe ein Beispiel und in der Politik eine Stimme sein.

Busenfreundin-Magazin: Welche Rechte haben gleichgeschlechtliche Paare aktuell in der Schweiz? Wo siehst du Diskriminierung und Ungleichbehandlung?

Barbara Stucki: In der Schweiz können gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft seit 2007 eintragen lassen. Damit haben sie fast dieselben Rechte wie verheiratete heterosexuelle Paare. Unterschiede gibt es im Adoptions- und Güterrecht.

Gleichgeschlechtliche Paare durften bis Ende 2017 keine Kinder adoptieren. Seit dem 1.1.2018 ist die Stiefkindadoption erlaubt. Der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin (Samenspende, künstliche Befruchtung usw.) ist lesbischen Paaren aber nach wie vor untersagt. Ebenso dürfen gleichgeschlechtliche Paare keine „fremden“ Kinder adoptieren. Die Leihmutterschaft ist in der Schweiz generell verboten.

Während bei Eheleuten mit der Heirat die Güter zusammengeführt werden (Gütergemeinschaft) gilt bei eingetragenen Partnerschaften die Gütertrennung, sofern die PartnerInnen nichts anderes vereinbaren. Besteuert werden die eingetragenen PartnerInnen aber gemeinsam – wie die verheirateten Paare auch. Wie diese komische Handhabung zustande kam, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht.

Busenfreundin-Magazin: Was muss sich unbedingt ändern? In der Schweiz, in Europa und weltweit?

Barbara Stucki: Für mich ist es unverständlich, dass die Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen weniger wert oder gar verboten sein kann. Ich denke, in jeder Demokratie steht in der Verfassung „Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich“. Und doch haben viele dieser Demokratien – auch die Schweiz – Gesetze, die gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Paare unterschiedlich behandeln. Dies dürfte für keinen demokratischen Rechtsstaat akzeptabel sein.

Busenfreundin-Magazin: Der Schweizer Nationalrat hat für die Ehe für Alle gestimmt. Was muss jetzt noch passieren, damit sie Realität wird?

Barbara Stucki: Neben dem Nationalrat muss auch der Ständerat dem Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form zustimmen.

Vielleicht zur Erklärung: Wir haben in der Schweiz auf nationaler Ebene ein Parlament mit zwei Kammern. Der Nationalrat repräsentiert die Bevölkerung. Er hat 200 Sitze, die nach der Bevölkerungszahl (Gesamtzahl der EinwohnerInnen) auf die 26 Kantone verteilt werden. Jeder Kanton hat wenigstens einen Sitz. Der Ständerat repräsentiert die Kantone. Pro Kanton werden zwei Ständeräte gewählt – unabhängig davon, wie viele EinwohnerInnen dieser Kanton hat.

Insgesamt besteht das Schweizer Parlament demnach aus 246 Mitgliedern, die 12 verschiedenen Parteien angehören.

Busenfreundin-Magazin: Wann ist mit einer Entscheidung des Ständerats zu rechnen?

Barbara Stucki: In einer der nächsten beiden Sessionen. Das heißt im September oder Dezember 2020. Das Geschäft „Ehe für Alle“ wurde in den vergangenen sechseinhalb Jahren immer wieder vertagt und verschoben. Daher rechne ich persönlich eher damit, dass es wieder nicht als vordringlich angesehen und deshalb eher im Dezember behandelt wird.

Busenfreundin-Magazin: Wenn du die Entscheidung mit einem Plädoyer aus 3 Sätzen beeinflussen könntest: Was würdest du sagen?

Barbara Stucki: Ich würde wohl sagen: „Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie einen Schwur oder Eid auf unsere Verfassung abgelegt, in der steht, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind. Mit der eingetragenen Partnerschaft wurde eine Ungleichbehandlung von Lebenspartnerschaften eingeführt. Die Schweiz wartet darauf, dass Sie diese Verfassungswidrigkeit beheben.”

Busenfreundin-Magazin: Was genau würde sich durch die Ehe für Alle in der Schweiz verändern? Würde sie z. B. auch Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare erleichtern?

Barbara Stucki: Das kommt sehr darauf an, ob die Ehe für Alle tatsächlich mit völliger Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren eingeführt wird oder ob beispielsweise im Bereich der Adoption oder Fortpflanzungsmedizin wieder Unterschiede geschaffen werden.

Aktuell ist leider alles noch möglich. So, wie der Nationalrat das Gesetz verabschiedet hat, würden gleichgeschlechtliche Paare komplett gleichgestellt. Wir hätten in der Schweiz dann tatsächlich eine Zivilehe mit denselben Rechten und Pflichten für alle heiratsfähigen Menschen. Das würde die geltenden Unterschiede im Adoptions- und Güterrecht aufheben und lesbischen Paaren den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin erlauben.

Busenfreundin-Magazin: Was passiert, wenn der Ständerat ablehnt? Welche Szenarien sind denkbar?

Barbara Stucki: Dass der Ständerat die Vorlage komplett ablehnt, ist kaum denkbar. Am wahrscheinlichsten ist, dass der Ständerat, der mehrheitlich von konservativen Parteien dominiert wird, die Vorlage im Bereich der Familienthemen abändert und gleichgeschlechtlichen Paaren beispielsweise die Adoption weiterhin untersagt.

Wenn der Ständerat die Vorlage abändert, geht sie zurück an den Nationalrat. Wenn sich die Räte nicht einigen, wird meines Wissens eine Art „Schlichtungskommission“ eingesetzt. Hoffen wir, dass es nicht soweit kommt, denn das würde eine weitere jahrelange Verzögerung bedeuten.

Wenn der Ständerat der Ehe für Alle zustimmt, ist es für uns aber auch noch nicht geschafft. Die konservativen christlichen Parteien haben bereits ein Referendum angekündigt.

Busenfreundin-Magazin: Was würde bei einem Referendum passieren?

Barbara Stucki: Wenn dies zustande kommt, müsste das Gesetz durch eine Volksabstimmung angenommen werden, damit es in Kraft treten kann. Bei den letzten repräsentativen Umfragen zeigte sich zwar, dass die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung der Ehe für Alle zustimmen würde. Aber ein Abstimmungskampf ist immer auch eine Schlammschlacht und die Gegner der Ehe für Alle suggerieren unfairerweise, dass es dem Kindswohl schadet, in einer Regenbogenfamilie aufzuwachsen. Ein sehr emotionales Thema, dass sich auch eignet, um Ängste zu schüren. Das machen die Gegner der LGBTQI-Community leider sehr bewusst.

Busenfreundin-Magazin: Zum Abschluss: Willst du selbst eines Tages heiraten?

Barbara Stucki: Ich hoffe sehr, dass ich eines Tages eine Frau kennenlerne, die ich heiraten möchte.

Busenfreundin-Magazin: Barbara, vielen lieben Dank für das spannende Interview! Wir drücken euch in der Schweiz alle Daumen und werden das Thema weiter verfolgen!

Die Ehe für Alle geht jeden etwas an, oder? Was würdet ihr dem Ständerat sagen, um ihn von der vollständigen Zustimmung zu überzeugen? Lasst uns gerne einen Kommentar da!


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