Autorin: Simone Bauer
„Schwule Männer lieben Musicaltheater”. Sicher geht dieses Klischee so manchem Schwulen auf die Nerven, aber sind wir ehrlich: Der glitzernde Schuh passt! Und als Santana und Brittany bei der Musical-Serie „Glee“ zusammen kamen, waren auch die Lesben am Start. Warum wir diese Leidenschaft schon eher hätten entdecken können und was die Takarazuka Revue aus Japan damit zu tun hat? Das klären wir jetzt – in „Busenfreundin – das Magazin”!
Um einer kleinen Stadt in der Hyougo Präfektur ein Touri-Highlight zu geben, gründete man 1913 die Takarazuka Revue. Diese Theatertruppe besteht nur aus Frauen. Das heißt, dass alle Männerrollen von Frauen gespielt werden, den sogenannten „Otokoyakus“. Die Frauenrollen übernehmen Frauen, die „Musumeyakus“ genannt werden.
Gespielt werden unter anderem westliche Musicals wie „Elisabeth“ und „Phantom der Oper“, Mangas wie „Die Rosen von Versailles” und japanische Legenden. Letztere werden auch als „Nihonmono” bezeichnet und überfordern selbst Einheimische mit ihrem Altjapanisch.
Butch/Femme, anyone?
Heute handelt es sich bei der Takarazuka Revue um ein fünf Truppen starkes Geschäftsmodell, das zwei Haupttheater (in Takarazuka und Tokio), Gasttheater (zum Beispiel in Osaka) und Touren (unter anderem Taiwan und USA) bespielt.
Die Zügel der Musicalcompany liegen in der Hand des Hankyu-Konzerns, der im Bahngeschäft verwurzelt ist. Das kann man sich vorstellen, als hätte die Deutsche Bahn beschlossen, in ihren Büroetagen sexy Mitarbeiter:innen in schillernde Kostüme zu stecken.
Aussehen ist bei der Takarazuka Revue aber nicht alles: Die Aufnahmeprüfung in die hauseigene Music School, auf der Mädchen zwischen 15 und 18 zwei Jahre lang Tanz, Gesang und Schauspiel studieren, ist knallhart.
Die Takarazuka Revue im Kreuzfeuer
Schon früh löste die Takarazuka Revue Diskussionen aus: Was, wenn sich die weibliche Zuschauerschaft von den maskulinen Eigenschaften der Darstellerinnen beeinflussen ließe und dann selbst ordentlich auf den Tisch haute? Japan ist nach wie vor ein sehr patriarchalisches Land. Bis heute ist es nicht ungewöhnlich, dass mit der Hochzeit oder spätestens der Geburt des ersten Kindes die Karriere der Frau endet. Über die Akzeptanz der queeren Community brauchen wir gar nicht erst reden.
Leider spiegelt sich die vermeintliche Schwäche der Frauen auch in den dargestellten Frauenrollen wieder, die hauptsächlich die Männerrollen in ein strahlendes Licht rücken sollen … ein großer Kritikpunkt der Fans.
Otokoyakus – die Frauen, die Männerrollen spielen – hingegen lernen, sich wie Männer zu verhalten. Diese Rollen können sehr rüpelhaft sein – dennoch werden sie dafür beklatscht und begehrt! Die Musumeyakus – die Frauen, die Frauenrollen spielen – hingegen sind lange nicht so populär wie die Otokoyakus. Eine Metapher für die japanische Gesellschaft? Oder der Beweis, dass Takarazuka-Fans entschieden haben, dass Frauen die besseren Männer sind?
Verbotene (Fan-)Liebe?
Zur Fangemeinschaft zählen viele ältere Damen, die ihre Lieblingsschauspielerin mehr lieben als ihren Ehemann. Ist das nur die Sehnsucht nach einer kleinen Schwester oder schon bi-curious? Egal, allein deshalb wurden in den 20er Jahren Fanbriefe verboten, da es sich teils um zu heiße Liebesbekundungen handelte … In den 40er Jahren verbot man außerdem den Kontakt zwischen Schauspielerinnen und Fanclubs.
Doch alle Regelungen – dass beispielsweise die Otokoyakus privat keine Kurzhaarfrisur tragen durften – halfen nichts. Heute ist es sogar ein Muss – als würde man bewusst gay-baiten. Immerhin fördern die zahlenden Fans ihre Schauspielerinnen und lassen sich bis heute nicht davon abhalten, mit einem Opernglas nur an den Lippen ihrer Einen zu hängen.
Sorgt die Revue für eine japanische Busen-Revolution?
Einst mussten die Schauspielerinnen nach ihrer Karriere Hausfrau und Mutter werden. Heutzutage bedeutet der Takarazuka-Renteneintritt kein Karriereende mehr – die meisten treten in gemischtgeschlechtlichen Musicals auf, veröffentlichen Alben oder landen in TV-Serien.
Das könnte die weibliche Anhängerschaft dazu inspirieren, sich nicht damit zufrieden zu geben, nur Heimchen am Herd zu sein. Und somit wurden die Bedenken, dass die Takarazuka Revue einen schlechten Einfluss auf ihre Fans haben könnte, hundert Jahre später bestätigt.
Das macht die Schauspielerinnen gewissermaßen zu Rebellinnen im schicken Frack, denn es gibt innerhalb der eigenen Reihen auch Busenfreundinnen. So heiratete die Ex-Otokoyaku und heutige LGBT-Aktivistin Koyuki Higashi ihre Partnerin im Disneyland in Tokio.
Wenn die gaye Zielgruppe weiterhin wächst, reagiert Hankyu hoffentlich. So wurde beispielsweise „Die Rosen von Versailles“ immer so aufgeführt, dass es eine heteronormative Geschichte ist – es gäbe aber durchaus Canons, die lesbisch sind. Das wiederum würde der Sichtbarkeit der queeren Community helfen – und Identifikationspotential für jüngere Fans bieten, die nach strahlenden Vorbildern suchen.
Kanntet ihr die Takrazuka Revue bereits? Steht ihr auf Musicals? Verratet es uns in den Kommentaren!
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