Autorin: Sanja-Marie Schiffer
Obwohl das Leben in Deutschland mittlerweile zum Großteil wieder seinen normalen Lauf nimmt, hält das bescheidene Wetter uns doch öfter als uns lieb ist zuhause. Das gibt uns nun noch mehr die Möglichkeit, uns auf das Sofa zu kuscheln und Serien und Filme zu gucken.
Wir haben bereits einen ausführlichen Guide mit allen queeren Filmen und Serien, die man so streamen kann, gemacht. Da die Masse an Material manche von euch aber überfordert, gibt es hier ganz kompakt unsere Highlights aus dem letzten Monat.
Disclosure (Netflix)
Seit dem 19. Juni gibt es auf Netflix die Dokumentation „Disclosure: Hollywoods Bild von Transgender“. Sie blickt auf die Geschichte von Trans*personen in den Medien. Erzählt und kommentiert wird dieser Rückblick ausschließlich von Trans*personen. Es geht vor allem um die Frage, was die Darstellung von Transgender mit ihnen und die Wahrnehmung derer macht.
Vor allem in Filmen finden sich erschreckende Beispiele von Trans*personen, die Betroffene nur immer weiter von einem Outing gedrängt hat. Oftmals sind es psychisch Kranke (s. Schweigen der Lämmer) oder Prostituierte. In dem Film „Boys Don’t Cry“ werden dem Transmann Brandon (Hillary Swank) verstörende Dinge angetan und am Ende wird er erschossen. Swank gewinnt für die Rolle letztendlich einen Oscar. Trans*personen berichten in der Dokumentation, wie verstörend diese Bilder auf sie gewirkt haben. Dass Swank dafür einen Oscar gewonnen hat, wird gleichzeitig als Fortschritt verstanden.
Ein Wechsel zwischen Fort- und Rückschritt zieht sich durch die ganze Geschichte der medialen Repräsentation von Trans*personen. So wurde bereits 1952 Christine Jorgensen als Transfrau weltweit berühmt. In dem Film „Stonewall“ aus dem Jahre 2015 wurde die berühmte Geschichte um die Stonewall-Aufstände wiederum gewhitewashed und ein weißer, schwuler Mann wird als Anführer der Revolution gezeigt. Eigentlich gelten die Transfrauen Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera als die Gesichter der Stonewall- Aufstände.
Die Dokumentation erzählt überzeugend all diese Geschichten auf eine authentische und überzeugende Weise. Die interviewten sind alle im Showgeschäft und erzählen dazu bewegend von ihren eigenen Erfahrungen. Die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen verschmilzt dabei perfekt mit den objektiven Fakten der Geschichte.
Porträt einer jungen Frau in Flammen (Amazon Prime)
Das Historiendrama „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ kam Ende 2019 in die deutschen Kinos. Weltweit erhielt er eine sehr positive Resonanz und wurde als „Bester Fremdsprachiger Film“ für einen Golden Globe nominiert. Eine Oscar-Nominierung fiel trotz all des Hypes aus.
Der Film handelt von der jungen Künstlerin Marianne (Noémie Merlant), die im Jahre 1770 in die Bretagne reist, um dort die junge Adelige Héloïse (Adèle Haenel) zu zeichnen. Diese will sich aber partout nicht zeichnen lassen und hat schon so einige Maler vergrault. Ihre Mutter hat nun den Plan, dass Marianne ihre Tochter heimlich zeichnen soll.
Die meiste Kommunikation findet über Blicke statt, die immer wieder bei gemeinsamen Spaziergängen ausgetauscht werden. Die Chemie zwischen den beiden wird zwar schnell spürbar, aber nur langsam angegangen. Die langsame Entwicklung der Beziehung in dem ruhigen Film profitiert von dem female gayze der lesbischen Regisseurin Céline Sciamma.
Dass eine lesbische Frau eine sapphische Liebesgeschichte porträtiert, hebt den Film von vielen anderen queeren Filmen merkbar ab. Interaktionen wirken sanft und bedürfen keiner großen Gesten.
Nachdem man den Film gesehen hat, kann man Vivaldis “Vier Jahreszeiten” nie wieder so hören wie zuvor.
Homecoming — Staffel 2 (Amazon Prime)
Die erste Staffel „Homecoming“ hat vor allem durch Julia Roberts viel Aufmerksamkeit erhalten. In der zweiten Staffel ist sie zwar noch als Produzentin tätig, aber nicht mehr als Schauspielerin. Neues Gesicht der Serie wird die queere Sängerin und Schauspielerin Janelle Monáe.
Ihr Charakter wird mitten auf einem Fluss in einem kleinem Boot wach. Sie kann sich an nichts erinnern. Auch nicht daran, wer sie ist. Auf der Suche nach Spuren trifft sie auf mehrere Menschen, die sehr hilfsbereit scheinen — aber sie kann niemandem trauen.
Mehr soll nicht verraten werden, außer, dass es natürlich auch hier eine queere Beziehung gibt.
Die Serie überzeugt vor allem durch ihren Stil, der sehr an Twin Peaks erinnert und durch viel Grün und langsame Zooms eine mysteriöse Atmosphäre schafft. Die Serie rollt nach und nach die Ereignisse auf, die letztendlich dazu geführt haben, dass Monáes Charakter ihr Gedächtnis verloren hat.
Little Fires Everywhere (Amazon Prime)
Reese Witherspoon ist zurzeit in gefühlt jeder erfolgreichen Serie: Big Little Lies (HBO), The Morning Show (Apple TV+) und jetzt in Little Fires Everywhere (Hulu). Sie ist aber nicht der einzige Star der Serie. Auch Kerry Washington und besonders die Nachwuchsschauspielerin Lexi Underwood brillieren in der Buch-Adaption.
In der Dramaserie geht es um die offenbar obdachlose Mutter Mia (Kerry Washington) und ihre Teenager-Tochter Pearl (Lexi Underwood) und der Mutter Elena (Reese Witherspoon) in einer sehr wohlhabenden Familie mit vier Kindern. Elena hat Mitleid mit der Künstlerin Mia und vermietet ein Haus an sie. Dabei kreuzen sich auch die Wege ihrer Kinder, die sich auf Anhieb gut verstehen. Elena wird Mia gegenüber immer misstrauischer und vermutet, dass sie ein Geheimnis hütet.
In der Serie geht es vor allem um das, was wir uns wünschen und wo wir es letztendlich finden. Die Kinder finden immer wieder Trost und Empathie bei der jeweils anderen Mutter, was nur für Konflikte sorgt. Beide Mütter sehen sich im Recht, haben aber zugleich das Gefühl, nicht gut genug zu sein.
Eine berührende, aber auch spannende Story darüber, eine Mutter zu sein, Verantwortung zu übernehmen und welche Facetten das alles annehmen kann. Auch Themen wie White Privilege und Sexualität werden immer wieder aufgenommen.
Euphoria (Sky)
Die hochgelobte HBO-Serie “Euphoria” ist zurück auf Sky. Die 16-jährige Rue (Zendaya) hat die Sommerferien nach einer Überdosis in der Entzugsklinik verbracht. An ihrem ersten Tag zurück nimmt sie jedoch sofort wieder Drogen und hat nicht vor, sich zu ändern. Auf einer Party lernt sie die Neue in der Stadt kennen: Jules (Hunter Schafer), ein junges Mädchen, das regelmäßig auf Sex-Dates geht und transsexuell ist. Die beiden freunden sich sehr schnell an. Außerdem gibt es den aggressiven Quarterback Nate (Jacob Elrodi), der mit der selbstbewussten Maddy (Alexa Demie) zusammen ist, Kat (Barbie Ferreira), die versucht, sich sexuell zu finden sowie Rues bester Freundin Lexie (Maude Apatow) und ihre große Schwester Cassie (Sydney Sweeney), der die Beziehung zu ihrem Freund McKay (Algee Smith) schwerfällt.
Jede Folge befasst sich mit einem Charakter und erzählt zu Beginn immer, wie dieser groß geworden ist und sich entwickelt hat. Dadurch kann man nachvollziehen, wieso ein Charakter so ist wie er ist, oder wieso er sich auf eine bestimmte Art verhält. Dabei wird trotzdem Raum zur Veränderung und zum Wachsen gelassen.
Die Teenie-Serie ist keine normale High-School-Serie. Stattdessen werden ernste Themen wie Drogensucht, Sexualität, psychische Probleme und Missbrauch auf eine selten dagewesene Art dargestellt. Die Protagonist*innen und ihre Probleme wirken real, manche Geschichten entspringen tatsächlich der Realität. So wurde der Schauspielerin Hunter Schafer eine Plattform gegeben, um ihre eigene Erfahrung als Transfrau in ihrem Charakter Jules darzustellen.
Unter all der Düsterheit schafft es die Serie trotzdem das Gefühl von Jugend und Freiheit zu kreieren. Unterstrichen wird das alles mit einem phänomenalen Score des Rappers und Sängers Labrinth und einem authentischen Soundtrack, der den Musikgeschmack der heutigen Jugend treffend wiedergibt. Zudem hat die Serie eine brillante Cinematographie, die mit immer neuen Techniken und leuchtenden Farben spielt.
Da die Serie aber die Realität und damit all ihre Seiten darstellt, könnte sie für einige triggernd sein.
Downton Abbey (Sky)
Der Film ist eine Fortsetzung der Kultserie, die sich um die Adelsfamilie Crawley und deren Dienerschar dreht.
Es steht hoher Besuch an: der König und die Königin von England sollen zu Besuch kommen und in Downton Abbey einkehren. Das sorgt für einige Furore. Vor allem, weil eine eigene Dienerschaft mitgebracht wird, die mit der dortigen immer wieder aneinander gerät.
Die Serie stand immer wieder in der Kritik, da sie einen schwulen Charakter hat, dessen Sexualität stets negativ konnotiert ist und wenig Raum bekommt — obwohl Liebesbeziehungen in der Serie immer eine große Rolle spielen. In dem Film gibt es nun einen großen Subplot, der sich mit der schwulen Szene Englands im 20. Jahrhundert auseinandersetzt.
Der Film ist vor allem etwas für Liebhaber der Serie mit vielen bekannten Gesichtern und kleinen Anspielungen. Er wirkt wie eine lange Folge und kann problemlos mit der Serie mithalten. Aber auch Leute, die die Serie nicht gesehen haben, werden den Film verstehen können und ihren Spaß daran haben. Vor allem bei einem Wortgefecht zwischen zwei bekannten Gesichtern aus den Harry-Potter-Filmen: Imelda Staunton (Professor Umbridge, hier Lady Bagshaw) und Maggie Smith (Professor McGonagall, hier Lady Violet Crawley).
Black Monday — Staffel 2 (Sky)
1987 kommt es zu einem der größten Börsencrashs der Geschichte: dem Black Monday. Die gleichnamige Serie, die von Seth Rogen produziert wurde, begleitet die Gruppe von Börsenhaien, die hinter diesem Crash stecken. Die erste Staffel erzählt von dem Jahr zuvor, das in dem Crash endet.
In der zweiten Staffel sind die Verantwortlichen abgetaucht. Sie versuchen sich unter neuen Namen vor der Polizei, den Yakuzas, dem FBI und noch mehr auf der anderen Seite des Landes zu verstecken.
Die Serie ist herrlich politisch unkorrekt, geprägt von vielen Konflikten und überraschenden Plottwists. Dabei ist sie durchgehend lustig und schockierend zugleich. Dies alles macht sie jedoch auf einem hohen Niveau, mit einem diversen Cast und einer großen Schippe Gesellschaftskritik.
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