Autorin: Patricia Bauer
„Homosexualität” und „Nationalismus”. Zwei Begriffe, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu haben – schließlich entwickeln sich sexuelle Präferenzen unabhängig von der Herkunft. Auf den zweiten Blick aber können „Homosexualität” und „Nationalismus” eine gefährliche Verbindung eingehen – den „Homonationalismus”. Was es mit diesem Phänomen auf sich hat, wo es auftaucht und was daran so problematisch ist? Das erfahrt ihr in „Busenfreundin – das Magazin”!
Unter „Nationalismus” versteht man eine Ideologie, die auf die – zumeist übersteigerte – Identifikation mit einer Nation abzielt. Politisch verordnet man nationalistische Bewegungen oft im rechten Spektrum. Parteien, die rechte Werte vertreten, fallen selten durch LGBTIQ-freundliche Äußerungen und Initiativen auf. Wie also passen Nationalismus und Homosexualität zusammen?
Der Begriff des „Homonationalismus” wurde 2007 von der US-amerikanischen Geschlechterforscherin Jasbir Kaur Puar geprägt. Ihrer Beobachtung nach identifizieren sich gesellschaftliche Kräfte (zum Beispiel politische Parteien) gezielt mit Forderungen der LGBTIQ-Community, um Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu rechtfertigen.
Wir gegen die anderen
Homonationalismus baut auf Vorurteile: Die westliche Welt wird als offen, divers und willkommenheißend angepriesen. Demgegenüber stehen Migrant:innen – vor allem solche muslimischen Glaubens –, die als konservativ, homophob und frauenfeindlich dargestellt werden.
Migrant:innen wird unterstellt, menschenfeindliches Gedankengut mitzubringen und die sexuelle Vielfalt untergraben zu wollen. Homonationalistische Meinungsmachende schüren die Angst, dass die rechtliche Gleichstellung Homosexueller durch fremde Einflüsse angegriffen und rückgängig gemacht werden könnte.
„Ich würde Homonationalismus eher so definieren: Ein Nationalismus, der die eigenen nationalen Machtansprüche auch daraus ableitet, dass er für sich beansprucht, die Emanzipation der Homosexuellen realisiert zu haben – auch wenn dies meistens nicht einmal der Fall ist.”
Queer-Theoretiker Volker Woltersdorff im Interview mit Queer Amnesty
Indem Meinungsmachende sich mit der LGBTIQ-Community solidarisch zeigen, können sie Stellung gegen Einwanderung beziehen und ihre fremdenfeindliche Gesinnung legitimieren. Ein Beispiel lieferte die AfD 2016 im Wahlkampf um den Einzug in das Berliner Stadtparlament: Die Partei warb mit Plakaten, auf denen zwei Männer und folgendes Zitat zu sehen waren: „Mein Partner und ich legen keinen Wert auf die Bekanntschaft mit muslimischen Einwanderern, für die unsere Liebe eine Todsünde ist”.
Wo ist Homonationalismus ein Problem?
Mutmaßlich hat der Homonationalismus seine Ursprünge in den USA. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001, bei denen unter anderem das World Trade Center in New York City zum Einsturz gebracht wurde und etwa 3.000 Menschen starben, gerieten Menschen mit muslimischem Glauben zunehmend ins Visier politischer Stimmungsmache. Während der damalige US-Präsident, George W. Bush, dem Terrorismus den Krieg erklärte und militärische Offensiven in Nahost startete, nahmen auch Ressentiments gegen muslimische US-Bürger zu.
Das Feindbild des rückständigen Muslim war entstanden, der nur darauf wartete, westlichen Wertvorstellungen den Garaus zu machen. Um möglichst viel Zustimmung für fremdenfeindliche Entwicklungen zu bekommen, wollte man – bewusst und unbewusst – auch Mitglieder der LGBTIQ-Community ins Boot holen.
Heute lässt sich der Homonationalismus vor allem in Parteien beobachten, die im politischen Spektrum weit rechts zu verorten sind. In Deutschland wäre das zum Beispiel die Alternative für Deutschland, in Frankreich die Front Nationale oder in den USA die Alt-Right-Bewegung.
Was macht den Homonationalismus so problematisch?
Homonationalistische Stimmungsmache macht Intoleranz salonfähig und instrumentalisiert Menschen, die sich als LGBTIQ+ identifizieren. Dass es sich bei ihnen auch in westlichen Gesellschaften um eine marginalisierte Gruppe handelt, die immer wieder Opfer von Diskriminierung und Gewalt wird, verschweigen die Meinungsmachenden ganz bewusst.
Menschen aus anderen Ländern – vor allem solche mit muslimischem Background – werden durch homonationalistische Stimmungsmache unter Generalverdacht gestellt: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften würden von ihnen nicht anerkannt und bisherige Erfolge der LGBTIQ-Bewegung (zum Beispiel die Ehe für Alle) würden von ihnen rückgängig gemacht werden wollen. Eine solche Pauschalisierung bedient sich rassistischer Denkmuster und weist Menschen ohne Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung eine übergeordnete Stellung zu.
Homonationalismus meets Pinkwashing
Eine weitere Facette des Homonationalismus ist das sogenannte „Pinkwashing”. Darunter versteht man Strategien, die durch das Vorgeben einer Identifikation mit der LGBTIQ-Bewegung bestimmte Produkte oder Unternehmen anpreisen. Wir erinnern uns an zahlreiche Werbekampagnen während der Pride-Season, die von Unternehmen stammten, die sich den Rest des Jahres nicht mit der Community befassen.
Dieses Phänomen lässt sich auch in die Politik übertragen: Stellt sich ein Staat als Musterland der LGBTIQ-Emanzipation dar, kann er von anderen Missständen ablenken. Dies wird zum Beispiel auch der israelischen Regierung vorgeworfen: Indem die Gleichstellung von LGBTIQ hervorgehoben wird, verschleiere man unter anderem den Umgang mit Palästinenser:innen.
In welchen Situationen trefft ihr auf homonationalistische Stimmungsmache? Wie begegnet ihr solchen Mechanismen? Hinterlasst uns einen Kommentar!
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