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Geile Arbeit! I Ein Interview mit Adult-Only-Regisseurin Julia Schönstädt

Julia Schönstädt ist eine der wenigen Frauen in Europa, die unter anderem feministische Adult-Only-Filme produziert. Das, was an erotischem Content auf Tube-Plattformen zusehen ist, lehnt die 33-jährige Wahl-Londonerin ab.  Zusammen mit der schwedischen Filmproduzentin und Pionierin feministischer Pornografie, Erika Lust, drehte sie bereits mehrere Girl-on-Girl-Filme, die in ihrer Machart an eine Fotostrecke der „Vogue“ erinnern.  Wir haben mit Julia Schönstädt über die Unterschiede zu „konventionellen“ Frauenfilmen, die Zukunft feministischer Pornos und ihre Motivation dahinter gesprochen. Bereits im vergangenen Jahr trafen wir Julia Schönstädt für eine Busenfreundin-Episode in Berlin. 

Busenfreundin-Magazin: Julia, wie erklärt man seinen Eltern, dass man feministische Pornos dreht?

Julia Schönstädt: Da ich selbst auch größtenteils in einem Klima des Nicht-Aussprechens groß geworden bin, hat mich das zuerst Überwindung gekostet. Es war wie eine Art zweites Coming-out, ich wusste absolut nicht, was ich erwarten sollte. Aber ich hätte mir keine bessere Reaktion von meinen Eltern wünschen können. Meine Mutter sagte, es sei doch nichts, wofür man sich schämen müsse. Und da wusste ich, dass sie 100%ig versteht, worum es mir dabei geht. 

Busenfreundin-Magazin: Wie war für dich der erste Adult Movie-Dreh, bei dem Du Regie geführt hast?

Julia Schönstädt: Spannend, lehrreich und empowernt. Ich habe viel gelernt, aber das stärkste Gefühl, das ich mitgenommen hatte, war, etwas getan zu haben, woran ich glaube und einen kleinen Beitrag für einen positiven Wandel beigesteuert zu haben. 

Busenfreundin-Magazin: Was ist der Unterschied zwischen einem Porno und einem feministischen Porno?

Julia Schönstädt: Für mich persönlich geht es weniger um Nacktheit oder um Pornografie. Es geht mehr darum, Frauen in eine Position von Verantwortung zu bringen und sie selbst entscheiden zu lassen. Ihnen die Einsicht zu vermitteln, dass ihre Bedürfnisse wichtig sind. Und dabei von innen heraus die Industrie mit ihren Defiziten zu konfrontieren. 

Busenfreundin-Magazin: Was ist Deiner Ansicht nach unauthentisch bei Pornos auf Plattformen wie YouPorn etc.?

Julia Schönstädt: Der Großteil von Inhalten auf Tubeseiten spiegelt nicht die Realität der meisten Menschen wieder. Das beginnt mit Körperformen und Darstellung von Sex und endet mit dem Machtgefälle zwischen den Parteien. Pornografie hat niemals den Anspruch geltend gemacht, realistisch zu sein, aber es ist weitgehend bekannt, dass der Konsum solcher Filme auf viele besonders junge Menschen einen großen Druck ausübt. 

Busenfreundin-Magazin: Was hältst Du bei einem erotischen Dreh für nicht ethisch-moralisch vertretbar?

Julia Schönstädt: Konsens steht ganz klar an erster Stelle und alle Produktionen, die das nicht eindeutig abgesteckt haben und mit den Darstellern vorher 100%-ig abgesprochen haben, was eine Szene beinhaltet, sind nicht moralisch vertretbar. Ökonomischer Druck darf auch nie als Mittel verwendet werden, um Darsteller in etwas zu verwickeln, dem sie sonst niemals zustimmen würden. Und natürlich sind Volljährigkeit und sexuelle Gesundheit Voraussetzungen. 

Busenfreundin-Magazin: Sollte unser Motto “make porn great again” werden?

Julia Schönstädt: Das würde voraussetzen, dass wir schon an einem Punkt waren, der dem Idealzustand entsprochen hätte und an den wir zurückkehren wollen. Ich glaube, was uns alle, die im feministischen Pornobereich arbeiten, eint, ist das Gefühl, dass sich etwas ändern muss. Wir blicken in die Zukunft, nicht zurück. 

Busenfreundin-Magazin: Wie sah ein Drehtag bei “All eyez on me” aus?

Julia Schönstädt: Ich habe an alle meine Arbeiten als Filmemacherin einen hohen Qualitätsanspruch und das ist im Bereich Adultfilm nicht anders. Ein Filmset ist viel Arbeit, aber es macht auch viel Spaß. Wir arbeiten bei unseren feministischen Filmen mit  überwiegend weiblichen Teams, was immer eine besondere Atmosphäre am Set schafft. Ansonsten ist es extrem wichtig, den Darstellerinnen genügend Vorbereitungszeit für die intimen Szenen zu geben und immer wieder mit ihnen zu sprechen. Das Wohl der Darsteller ist das A und O. 

Busenfreundin-Magazin: Was sollte sich innerhalb der Adult-Only-Industrie Deines Erachtens nach verbessern?

Julia Schönstädt: Ich finde die Industrie sollte etwas mehr für das Wohlergehen ihrer Performer tun. Die Stigmatisierung, die besonders Frauen, die mit Sex arbeiten, umgibt, kann es sehr schwer machen, gewisse Leistungen in Anspruch zu nehmen. Darsteller machen sich in diesem Job sehr verletzbar und deshalb finde ich ist es wichtig, dass man sicherstellt, dass ihnen gewisse Unterstützung zukommt. 

Und die Konsumenten von Pornografie sollten verstehen, dass jeder ihrer Klicks richtungsweisend für den Verlauf der Branche ist. Genauso wichtig wie es ist Slow-Fashion zu kaufen,  ist es wichtig Filme von Produktionsfirmen zu kaufen, die einen anspruchsvollen Arbeitsethos haben. 

Busenfreundin-Magazin: Was ist für Dich bei einem Dreh besonders wichtig? Worauf legst Du wert?

Julia Schönstädt: Ich will, dass sich das gesamte Team wohl fühlt und an die Sache glaubt. Ich versuche immer Positivität zu vermitteln, denn dann erst schöpft man das volle Potential eines Teams aus. Und Filme sind definitiv Teamwork. Darüber hinaus ist es natürlich extrem wichtig, dass die Darstellerinnen sich sicher fühlen und mir vertrauen. Bei einem solchen Dreh ist es unerlässlich, einen Ort der emotionalen und natürlich auch körperlichen Sicherheit zu schaffen. 

Busenfreundin-Magazin: Worauf hast Du persönlich bei deinem ersten Girl on Girl-Film besonders wert gelegt?

Julia Schönstädt: Authentizität ist natürlich ein großer Anspruch. Besonders in einem Genre (lesbische Filme) , das ironischerweise hauptsächlich für Männer produziert wird, ist es extrem wichtig Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Aber als Filmemacherin habe ich natürlich auch einen künstlerischen Anspruch. Außerdem war es mir sehr wichtig auch mit Frauen hinter der Kamera zu arbeiten. Die Filmbranche ist leider immer noch sehr männerdominiert und deshalb war es mir wichtig alle Rollen mit Frauen zu besetzen. Frauen bekommen immer noch nicht die gleichen Chancen und es ist eine wundervolle Erfahrung mit einem Team zu arbeiten, das nur aus Frauen besteht.

Busenfreundin-Magazin: Wie viel der eigenen Sexualität fließt in deine Filmproduktionen?

Julia Schönstädt: Wenn ich ein Konzept entwickle, dann denke ich eher darüber nach, was als Filmkonzept funktioniert und was potentielle Wirkungskraft auf  den Bildschirm überträgt. Davon lasse ich mich dann treiben. Außerdem funktioniert das Konzept von Xconfessions so, dass die Fantasien anderer Leute zu Filmen gemacht werden. 

Busenfreundin-Magazin: Warum ist der Bereich “Pornos für Frauen” so tabuisiert?

Julia Schönstädt: Ich glaube über Pornos und Sex zu reden ist generell tabuisiert in unserer Gesellschaft. Was ironisch ist, da wir in einer extrem sexualisierten Welt leben. Aber wir haben keinen gesunden Umgang mit dem Thema, wir haben viel unterdrückt. Meiner Meinung nach bedarf es einer fundamentalen Änderung unserer Sichtweise, weg von einer Kultur des Nicht-Aussprechens, hin zu einer der Offenheit. Denn wir haben dadurch auch in Fragen der Aufklärungsarbeit viel verpasst und viele junge Menschen mit ihren Sorgen allein gelassen. Stattdessen hat die Pornografie viele dieser Fragen  beantwortet und damit massenhaft schädliche Botschaften an ganze Generationen vermittelt. Erst wenn wir es schaffen dies umzukehren, können wir einen gesunden sozialen und sexuellen Umgang zwischen allen Menschen bilden.

Busenfreundin-Magazin: Wie sieht der perfekte Adult-Only-Film zwischen zwei Frauen für dich aus?

Julia Schönstädt: Der perfekte Film für mich ist, wenn die Darstellerinnen Chemie haben und man das Gefühl hat, dass es beide genießen. Außerdem ist für mich die visuell-künstlerische Umsetzung sehr wichtig. Wenn ich mit allen Sinnen angesprochen werde – von Setdesign, über Kostüm bis hin zur Musik. Ich will das Gefühl haben, dass alle Entscheidungen bewusst getroffen wurden.

Busenfreundin-Magazin: Arbeitest du nur mit Frauen, die im echten Leben auch auf Frauen stehen? 

Julia Schönstädt: Es ist mir definitiv wichtig mit Frauen und non-binary Menschen zu arbeiten, die in ihrem privaten Leben auch Intimität mit Frauen genießen. Sie verstehen am besten, was ich versuche umzusetzen, sie liefern den besten Input und sind letztendlich glaubhafte Übermittler unserer Botschaft. 

Busenfreundin-Magazin: Wie kommen deine neuartigen Pornos an? Bei Zuschauern und Darstellerinnen? 

Julia Schönstädt: Es gibt immer mehr Independent-Plattformen, die feministische Filme anbieten und auch die Medien haben ein immer größeres Interesse an dem Thema. Das sind eindeutige Zeichen, dass diese Bewegung mehr und mehr Anerkennung gewinnt und nicht wegdiskutiert werden kann. Ich bekomme viele Anfragen von Frauenmagazinen, denn besonders Frauen sind für diese Arbeit wirklich dankbar. 

Und ich glaube für Darstellerinnen, die aus der Mainstream-Branche kommen ist es eine spannende neue Erfahrung, die sie so noch nicht unbedingt erlebt haben. Es öffnet auch Türen für neue Performer, die es sich nicht vorstellen könnten für einen Mainstreamfilm zu arbeiten, aber die  sich mit dieser neuen Art von Pornografie sehr wohl identifizieren können. 

Busenfreundin-Magazin: Stumpft man sexuell nicht etwas ab, wenn man explizite Filme dreht bzw. welche Auswirkungen hat das auf Dein eigenes Liebesleben?

Julia Schönstädt: Ich glaube es hat eher den gegenteiligen Effekt. Wenn man sich mit den Themen der feministischen Pornoproduktion und allem, was dabei wichtig ist, auseinandersetzt kann man nicht ignorieren, welch tragende Rolle Themen wie Kommunikation, Einverständnis, sexuelle Gesundheit und Diversität haben. Und das ist eigentlich nur bereichernd. 

Busenfreundin-Magazin: Wie hat sich die “Adultfilm”-Industrie in Zeiten von #metoo verändert?

Julia Schönstädt: Ich selbst habe  mich ja erst vor drei Jahren das erste Mal mit der Industrie wirklich beschäftigt bzw. sie von innen kennengelernt. Das ist ein kurzer Zeitraum. Aber ich glaube, dass #metoo der Bewegung des feministischen Pornos noch mehr Daseinsberechtigung gegeben hat, denn ich glaube es wäre naiv zu denken, man könnte die Pornografie als Ganzes durch Verteuflung erodieren. Und am Set hat es zumindest in unserem Bereich die Wichtigkeit von Consent noch einmal unterstrichen und ich weiß, dass auch mehr und mehr Produktionen mit einer Art von Intimacy Coordinator arbeiten. 

Busenfreundin-Magazin: Dein lustigstes Set-Erlebnis?

Julia Schönstädt: Bei unserem zweiten Dreh hatten wir ein altes Telefon mit Wahlscheibe als Requisite. Unsere Darstellerin hatte keine Ahnung, wie man das bedient. Es hat etwas gedauert, bis ich ihr erklären konnte, wie man damit wählt. Die Hälfte unserer Crew hat sich extrem alt gefühlt, aber wir haben alle gut gelacht. 

Busenfreundin-Magazin: Danke für das Interview, Julia!

Was haltet ihr von feministischen Adult-Filmen oder der Message, die Julia Schönstädt transportieren möchte? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!


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1 comment

  1. Sehr tolles Interview.
    Ich finde auch das es überhaupt keine schönen authentischen Pornos für Frauen gibt.
    Weiter so.
    Gruss Alex

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