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Kolumne

Generation Gay: Das neue Image der Lesbe

Dass man das Wort „schwul” nicht länger als Beleidigung nutzen sollte, darüber sind wir uns einig. Doch was ist mit dem weiblichen Gegenstück, dem Wort „Lesbe”? Ist das überhaupt noch zeitgemäß, oder sollten wir auf andere Bezeichnungen zurückgreifen? Wenn ja, warum?

Fragt man Menschen nach ihrer persönlichen Assoziation zum Wort „Lesbe“, erntet man Aussagen wie „Hella von Sinnen“, „Latzhose und behaart“ oder „Geil, Lesbenporno!“. Eins ist klar: Das Wort „Lesbe“ kann man gedanklich irgendwo zwischen „Frettchen-Frisur“ und „2 Girls 1 Cup“ verorten (letzteres bitte erst ab 18 und nicht im Büro googlen!).

Spätestens nachdem der Dudenverlag das Wort „schwul“ mit einem „Besonderen Hinweis“ versah und vermerkte, dass die Begrifflichkeit künftig nicht mehr als abwertende Bezeichnung benutzt werden dürfe, stellte sich mir mal wieder die Frage, inwieweit auch „Lesbe“ überdacht werden müsste.

Das neue Image der „Lesbe“

Aber kurz für euch zur Einordnung: Mein Name ist Ricarda, ich bin 32 Jahre alt und stehe auf Frauen. Grundsätzlich habe ich nur morgens nach dem Aufstehen eine Frettchen-Frisur. Meine Latzhosen-Phase habe ich erfolgreich hinter mich gebracht, meine Beine rasiere ich mir regelmäßig und in einem Porno habe ich bisher auch nicht mitgespielt. Zumindest soweit ich mich erinnern kann. Mit 25 habe ich mich vor Freund:innen und Familie als lesbisch geoutet. Das Wort „Lesbe“ habe ich dabei genauso gern ausgesprochen wie die Harry-Potter-Zauber:innen den Namen „Lord Voldemort“ (Für alle, die nicht mit Harry Potter vertraut sind: Das heißt „gar nicht“).

Seitdem gehe ich offen damit um, dass ich Frauen mag. Das warf und wirft in Gesprächen oft Fragen auf. Das Missverständnis, das entstand, als ich sagte, dass ich mit meiner „Partnerin“ zur Veranstaltung käme, zählt zu meinen liebsten. „Partnerin? Ich wusste gar nicht, dass  Du noch eine Firma hast!“. Aber auch „Was, Du bist lesbisch? So siehst du gar nicht aus!“ ist mir sehr geläufig.

Woher rühren eigentlich die Bilder, die einem in den Kopf schießen, wenn man „Lesbe“ hört?

In gewisser Weise kann man sich die Allergie vieler homosexueller Frauen gegen das Wort „Lesbe“ schon phonetisch erklären. Es klingt wie „Lästern“ oder „Wespe“. Beide Begriffe werden mit „Aggressivität“ und „fluchtartigem Wegrennen“ verbunden. Und siehe da – schon sind wir bei der gesellschaftlichen Wahrnehmung von „Lesben“. „Lesbe“ hat, wenn man es ausspricht, in etwa die gleiche Klang-Ästhetik wie „Gullasch“.

Gibt es Alternativen zu „Lesbe“?

Zieht man eine alternative Begrifflichkeit für weibliche Homosexualität heran, den „Sapphismus“, verändert sich das Bild zumindest ein bisschen. Gut, „Sapphismus“ klingt im ersten Augenblick wie etwas, das in kürzester Zeit anfangen kann zu jucken, aber Assoziationen wie „Kampflesbe“ und „Männerhasserin“ dominieren jetzt zumindest nicht mehr. Yay!

„Sapphismus“ geht auf die griechische Dichterin Sappho (nicht zu verwechseln mit der Waschbecken-Dichtung „Siphon“!) zurück, die um 600 vor Christus auf der griechischen Insel Lesbos lebte. Folgendes Zitat stammt von ihr: „O Schöne, o liebliche Jungfrau, von allen Sternen der schönste“. Das, was damals homoerotische Lyrik war, stünde heute in Sapphos Instagram-Bio neben einem Regenbogen-Emoji. Safe!

In den USA benutzt man das Wort „Gay“ (zu Deutsch: „Fröhlich“) zunehmend nicht nur für schwule Männer sondern auch für lesbische Frauen. „Gay“ vermittelt für mich buntes Konfetti, Heiterkeit und Duracell-Hasen auf Speed.

Be a „Busenfreundin“!

Mit meinem Podcast „Busenfreundin“ wage ich einen Anfang, das Image der gemeinen, deutschen „Lesbe“ (um mal beim Wespen-Bild zu bleiben) zu verändern. Warum? Weil die weibliche Gay-Community so viel mehr ist als „100-Kilo-Hantelbank“ und „Fußball, Bier und Bratwurst“.

Aber um das zu zeigen, bedarf es zweier Voraussetzungen: Erstens müssen homosexuelle Frauen deutlich stärker im medialen Kontext auftauchen und das auch gerne in einer modischen Alternative zum glitzernden Pailetten-Overall. Zweitens brauchen wir Vorbilder wie Polit-Talkerin Anne Will, Sängerin Wilhelmine oder Grünen-Politikerin Terry Reintke.

Nach der Bekanntgabe der Grimmepreis-Nominierung für das Gay-Bachelor-TV-Format „Prince Charming“ besteht nun auch für die Gay Girls Hoffnung auf mehr Repräsentanz. Wobei viele Medienmacher den „[…] sehr marginal ausgeprägten Unterhaltungsfaktor lesbischer Frauen“ als Hürde sehen (an dieser Stelle wollte ich einen Gag einfügen, aber mein geringer Unterhaltungsfaktor macht mir einen Strich durch die Rechnung).

Sexuelle Orientierung: Kein Thema?

Klar könnte man nun argumentieren mit „Wieso sollte man überhaupt die eigene Sexualität thematisieren? Und dann auch noch medial?“. Ok, stimmt! Am Ende des Tages bleibt es natürlich jedem selbst überlassen, wie viel des eigenen „Ichs“ er oder sie preisgegeben möchte.

Ich jedenfalls habe mich dafür entschieden, LGBTIQ-Themen in meinem Podcast anzusprechen, um Sichtbarkeit oder – in diesem konkreten Fall – Hörbarkeit zu schaffen. Dadurch konnte ich mit vielen Frauen und Männern sprechen, die ebenfalls einen Beitrag zur queeren Sichtbarkeit leisten – von einer strenggläubigen lesbischen Muslima über einen Primatologen, der sich mit Homosexualität im Tierreich beschäftigt, bis hin zu einer trans Geflüchteten aus Pakistan.

Alleine in Deutschland können oder dürfen noch immer sehr viele (heranwachsende) Menschen ihre Identität nicht frei entfalten. Es gibt Orte, die ein bisschen von den Gay-Zentren deutscher (Groß-)Städte entfernt sind – so etwa zwölf Jahrhunderte. Dort wird noch versucht, Homosexualität mit einer kräftigen Hühnerbrühe oder Gebeten in den Griff zu kriegen (Spoiler: Klappt nicht!). Solange das der Status Quo ist, möchte ich über LGBTIQ-Themen reden und schreiben.

Die Mischung macht’s

Bei all den Optimierungs-Gedanken rund um das „Du weißt schon was“-Wort darf man natürlich nicht vergessen, was die „kessen Väter“, die Lesben 1.0., für die heutige Generation erreicht haben. Sie bekannten sich trotz gesellschaftlicher Ablehnung zu ihrer Homosexualität und gegen die gelebte Heteronormativität. Ohne diese Frauen wäre heute tote Hose am anderen Ufer.

Ich würde mich als Mischung aus allen Typen sehen. Ich lackiere mir gerne meine Fingernägel (Femme), trinke Bier wie ein echter Manfred (Butch) und kann mich in vielen Lebenssituationen nicht entscheiden (Androgyn). Wobei Letzteres eher auf eine grundsätzliche Persönlichkeitsschwäche hinweist. Also das mit dem Nicht-Entscheiden jetzt.

Auch ich, als Teil der Gay-Community, denke in Klischees, ertappe mich dabei, wie ich heimlich Ressentiments hege und bin überrascht, wenn ich lesbische Frauen kennenlerne, die „nicht danach aussehen“. Gesellschaften und Communities verändern und erweitern sich. Sollte sich dann nicht konsequenterweise auch die Begrifflichkeit mitbewegen?

Ja, sollte sie! Ich bin kein Fan des Wortes, aber ich bin der Meinung, dass wir das Bild der „Lesbe“ verändern können. Nicht, indem man – wie ich – den Begriff aus seinem Sprachgebrauch versucht zu eliminieren, sondern indem man ihn weiter positiv besetzt.

Am Ende des Tages ist doch nur wichtig, dass jeder Mensch lieben darf, wen er will um glücklich zu sein. Auch mit Frettchen-Frisur.

Generation Gay eben.


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12 comments

  1. Danke Ricarda, diese Kolumne ist mein Leben… lang nicht mehr so gelacht seit der Corona-social-distancing Zeit (Außer natürlich beim Podcast hören, wie heißt der nochmal … Busenfreundin).
    Ich Find Das Magazin einfach genial ein schönes rundes Gesamtpaket.
    Ein Traum geht in Erfüllung

    1. Liebste Johanna,
      danke für die netten Worte! Es freut mich sehr, dass ich damit ein wenig erheitern konnte! Ich sitze bereits am zweiten Artikel 🙂
      Liebe Grüße
      Ricarda

  2. Ach, herrlich! Das hat mir gerade meine Mittagspause immens versüßt!

    Die Frage ist: Bis wann schaffen wir es, dass das Wort aus dem Duden verschwindet?

    Interessant finde ich auch, dass man bei Männern selten sagt “Schwuler” (und wenn, dann hört es sich doch eher etwas seltsam an?), man sagt meistens “schwuler Mann”, verwendet es also als beschreibendes Adjektiv, es handelt sich immer noch um einen Mann. Und dann rutscht bei Frauen doch so schnell das Wort “Lesbe” raus, statt dass man “lesbische Frau” sagt und damit werden sie auf ihre Sexualität reduziert. Ich glaube, diese Form der “Entmenschlichung” stört mich abgesehen von dem abwertenden Klang auch am meisten an der Bezeichnung. Auch wenn meine Sexualität Teil meiner Identität ist, möchte ich doch trotzdem nicht darauf reduziert werden. /rant Ende
    Just sayin’!

    1. Vielen, vielen Dank! Es war für uns alle ein ordentliches Stück Arbeit, aber wir sind alle sehr zufrieden mit der Resonanz! Das motiviert uns darin, noch sehr viel coolen Content rauszuhauen!
      Groetjes
      Ricarda

  3. Glückwunsch zum Magazin ! Ich musste eben sooo lachen, liebe diesen intelligenten und trockenen Humor, und vermisse ” Gay in den Morgen ” schon ” fast ” schmerzlich…Doch trotz allem Wortwitz schlägst du auch nachdenkliche Töne an, und auch das mag ich sehr. Chapeau. Das hier ist dir rundum gelungen. Liebe Grüsse aus der Schweiz von der, die sich bald von ihrer Rapunzelmähne trennt, und die dann endlich ihre Frettchenfrisur mit Stolz tragen wird. In Blau. Mit 52. You only live once !

  4. Hey Ricarda,
    als recht neue Hörerin deines Podcasts freue ich mich nun auf diese Erweiterung – viel Erfolg damit!
    Zum Thema: Mir haben vor vielen Jahren mal 2 Frauen um die 50 gesagt, sie seien „verzaubert“. Dieses Wort nutze ich sehr gerne, um zu sagen, dass ich „anders“ bin und auf Frauen stehe….dies können die Jungs natürlich auch gern nutzen 🙂
    Viele Grüße 🙂

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