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Ok, krass!

LGBTIQ+ an Schulen: Geht da noch was?

Judith ist Lehrerin und Busenfreundin. Vor ihren Schüler:innen macht sie aus ihrer Homosexualität keinen Hehl. An einer Ganztagsschule in Leverkusen unterrichtet sie Praktische Philosophie und Geschichte. Im Interview mit „Busenfreundin – das Magazin” berichtet sie, was sie in den Lehrplänen hinsichtlich Queerness vermisst, was sie konkret mit ihren Schüler:innen im Unterricht dazu bespricht und was sie sich dafür künftig wünscht.

Busenfreundin-Magazin: Judith, wie wird das Thema LGBTIQ+ bei dir an der Schule konkret in den Lehrplan integriert?

Judith: Das Thema ist sehr komplex. Es reicht ja nicht, im Biologieunterricht in einer Stunde kurz zu erläutern, wie zwei gleichgeschlechtliche Menschen Sex miteinander haben. Es fängt im Kleinen an. Es geht darum, den Kids das Gefühl zu geben, dass es egal ist,  in wen sie sich verlieben, wen sie attraktiv oder interessant finden. Sie sind super, so wie sie sind.

Und um deine Frage zu beantworten: Wir haben ganz klassisch den Biologieunterricht, in dem allerdings relativ am Rande „Homosexualität“ besprochen wird. Kritiker würden sagen: „Es fehlen Themen wie Asexualität oder andere wichtige Themen in dem Kontext wie ‚Dating‘, oder ‚Outing‘“. Ich finde es ist ein guter Schritt. „One step at a time”!

Busenfreundin-Magazin: Wie stehen deine Kolleginnen und Kollegen dem Thema LGBTIQ+ gegenüber?

Judith: Ich habe das große Glück an einer recht offenen Schule zu unterrichten, im Outback zwischen Köln und Düsseldorf, was dazu führt, dass große Teile des Kollegiums sehr open-minded sind und das Thema als wichtig erachten.

Busenfreundin-Magazin: Du unterrichtest „Praktische Philosophie“ und Geschichte. Wie versuchst du deine Schüler:innen über queere Themen aufzuklären?

Judith: Indem ich authentisch bin. Ich habe eine 5. Klasse, die sehr süß ist. Viele von ihnen, mit oder ohne Migrationshintergrund, wachsen mit gesellschaftlichen Bildern auf, die Queerness als etwas Schlechtes erachten. Eine Schülerin durfte beispielsweise nicht „Die Eiskönigin 2“ gucken, weil ihre Mutter der festen Überzeugung war, dass Anna gay ist.

Busenfreundin-Magazin: Was war deine Reaktion auf diese Maßnahme der Mutter?

Judith: Ich war ich selbst und habe damit in gewisser Weise eine Brücke gebaut. Ich bin auf die Mutter zu und habe sie damit konfrontiert, dass ich eine Freundin habe und den Schüler:innen mitgebe, dass Respekt und Toleranz wichtig sind. Wie soll sich denn an ihrem Denken etwas ändern, wenn sie nie damit konfrontiert werden?

Mittlerweile wollen meine Schüler:innen andauernd ein Bild von meiner Freundin sehen und wollen alles zu ihr erfahren („Was isst Ihre Freundin am liebsten?“, „Wenn Sie nicht kochen können, macht das dann Ihre Freundin?“). Ich denke, man kann ein guter Brückenbauer sein, indem man offen mit „Queersein“ umgeht, damit die Schüler:innen merken, dass queere Menschen nicht jedes Klischee bedienen und man nicht automatisch anders ist, nur weil man Brüste heißer findet, als … hier … Dingdong.

Busenfreundin-Magazin: Welche Fragen stellt man sich eigentlich zum Thema Diversität in deinem Fach „Praktische Philosophie“?

Judith: Gerade in der Moralphilosophie werden häufig Fragen aufgeworfen wie „Wieviel Diversität verträgt eine Gesellschaft?“, „Wo sind die Grenzen der Toleranz?“ und „Wieso verhalte ich mich manchmal so intolerant?“. Auch da kommen in wirklich guten Gesprächen interessante Inhalte heraus. Klischeehaftes Denken und Vorbehalte aus Köpfen zu entfernen, die dort mühselig eingepflanzt wurden, dauert manchmal, aber ich bin ziemlich optimistisch, wenn ich mir unsere Kids so ansehe.

Busenfreundin-Magazin Wie nimmst du die Haltung der Schüler:innen gegenüber queeren Themen wahr? Gibt es welche, die Probleme damit haben?

Judith: Puh, das ist wirklich eine schwierige Frage. Meine eigene Wahrnehmung ist, dass sehr vieles besser geworden ist. Meine eigene Schulzeit war phasenweise gar nicht mal so gut, als ich mich geoutet habe. Der Perspektiv- und Standortwechsel sowie die 300 Jahre, zwei Währungsreformen und neun Fußballweltmeisterschaften, die inzwischen ins Land gegangen sind, lassen mich aber vermuten, dass einiges besser geworden ist.

Bei uns gibt es Talentförderungen, an denen interessierte Schüler:innen zu Themen, die sie interessieren, Vorträge vorbereiten dürfen, die dann an einem Akademieabend öffentlich gehalten werden. Da sehe ich immer häufiger LGBTIQ+ Themen.

Es gibt viele Schüler:innen, die eine sehr weltoffene Sicht an den Tag legen. Allerdings gab es auch schon welche, die eine sehr extreme Perspektive auf die Dinge haben. Auch diese muss man tolerieren und darauf hoffen, dass die stetige explizite und implizite Berührung mit LGBTIQ+ Themen zu einem langsamen Umdenken führt. I keep my fingers crossed!

Busenfreundin-Magazin: Du bist eine offen geoutete Lehrerin – hat dir dein Outing bzw. die Tatsache, dass du mit einer Frau zusammen bist, Probleme bereitet?

Judith: Am Anfang fand ich es schwierig, dazu zu stehen und habe bei der Frage „Haben Sie einen Freeeeuuuheeeund?“ immer versucht ausweichende Antworten zu geben. Irgendwann habe ich mich getraut und die Resonanzen waren so gut, weil viele Klischeebilder in den Köpfen ad acta gelegt wurden und ich gemerkt habe, dass ich Schüler:innen, die selbst gay sind, damit ein Stück weit helfen kann, leichter zu sich selbst zu stehen und Vorurteile abzubauen.

Was meine Kolleg:innen betrifft – ich liebe sie! Alle haben es ganz entspannt aufgenommen, manchmal kommen die klassischen Bullshitbingo-Fragen, aber das finde ich sogar ganz witzig.

Busenfreundin-Magazin: Was sollte deiner Meinung nach in den Schulen bzw. im Lehrplan in Hinblick auf „Diversität“ optimiert werden?

Judith: Oh, so, so viel.  Aber man muss ja auch immer die Rahmenbedingungen im Blick haben. Ein Schuljahr hat nur eine begrenzte Anzahl an Unterrichtsstunden, aber genauso eine bestimmte Anzahl an Themenfeldern, die bearbeitet werden sollen. Und wie ich jetzt selbst in Hinblick auf „Feminismus“ und „People of Colour“ lernen musste: Man weiß viele Dinge erst, wenn man sich aktiv damit auseinandersetzt und stellt sich viele Fragen eben nicht, wenn man nicht damit in Berührung kommt.

In vielen Gesprächen mit Kolleg:innen kam heraus, dass eben doch ein eher heteronormativer Unterricht stattfindet und schon Kleinigkeiten ein Umdenken bewirken könnten. Wieso geht es in selbst geschriebenen Geschichten oder jenen aus dem Schulbuch immer um heterosexuelle Paare? Wieso nimmt man nicht das Bild eines schwulen oder lesbischen Paares als Arbeitsgrundlage?

Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass das Thema LGBTIQ+ oder – größer gefasst – „Diversität“ zunehmend wichtiger wird in Schulen und es das auch sollte.

Busenfreundin-Magazin: Ist das Thema Mobbing wegen Homosexualität bei dir an der Schule ein Thema?

Judith: Viele Schüler:innen kommen zu mir, da ich die einzig geoutete Lehrerin an der Schule bin, und berichten mir von ihren Sorgen oder fragen mich um Rat und all das lässt mich sagen: Ich glaube wir sind auf einem guten Weg. Klar kommt man manchmal in ein Klassenzimmer und ein Schüler ist gerade im Begriff zu schreien „Haha, dein pinker Becher ist so schwul, ey!“. Oft reicht schon ein Blick, aber meistens helfen Gespräche in der Klasse oder mit vereinzelten Schüler:innen, ihnen bewusst zu machen, dass es eine Beleidigung ist, die gesellschaftliche Gruppen nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diffamiert und daher weniger über den anderen, als über den Beleidiger aussagt. Toleranz wird bei uns sehr ernst genommen und von allen Kolleg:innen mitgetragen.


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