Autorin: Anika Brüggemann
Wer sich einer Transition unterziehen will, muss sich aufgrund der aktuellen Rechtslage auf einen langwierigen Prozess einstellen. Doch wie genau funktioniert das Verfahren eigentlich? Wo liegen die größten Hürden für trans Menschen und was sollte sich dringend ändern? Das klären wir jetzt – in „Busenfreundin – das Magazin“!
Update 20.05.21:
Bei der Abstimmung im Bundestag am 19.5.21 wurden die Gesetzesentwürfe von FDP und den Grünen mit der Mehrheit der Stimmen abgelehnt. Damit ist die Gesetzesreform vorerst gescheitert. Das geforderte Selbstbestimmungsgesetz wird es zumindest in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr geben.
Sowohl CDU als auch SPD haben gegen das Gesetz gestimmt. Die SPD sieht den Grund vor allem in der ablehnenden Haltung ihres Koalitionspartners. SPD-Vorsitzende Saskia Esken erklärte auf Twitter, ihrer Partei würde zwar nicht der Mut fehlen dem Gesetz zuzustimmen, es wäre aber unverantwortlich mitten in der Pandemie die Regierungsarbeit zu gefährden.
Nach Geburt eines Kindes wird der Name und das zugewiesene Geschlecht in das Geburtenregister eingetragen. Bei einer Transition geht es aus rechtlicher Sicht vor allem darum, diese Einträge anzupassen. Das klingt erstmal sehr bürokratisch, hat für den Alltag aber eine große praktische Bedeutung. Denn egal ob man zum Arzt geht, in den Urlaub fliegen oder einfach nur ein Paket bei der Post abholen möchte: Überall ist man darauf angewiesen, sich richtig ausweisen zu können.
Die rechtliche Grundlage
Das Transsexuellengesetz (TSG) bestimmt seit 1981 die Voraussetzungen für die Änderung des Namens (§ 1 TSG) und des Geschlechtseintrags (§ 8 TSG).
Die Voraussetzungen sind folgende:
- Die Person muss sich seit mindestens drei Jahren nicht mehr dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen.
- Dies wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern.
- Die Person ist Deutsche:r bzw. hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in Deutschland.
Dabei ist zu beachten, dass das Bundesverfassungsgericht Teile der Normen bereits für verfassungswidrig erklärt hat. So darf die Änderung des Geschlechtseintrags nun nicht mehr davon abhängig gemacht werden, ob die Person fortpflanzungsunfähig ist oder bereits einen geschlechtsangleichenden operativen Eingriff vorgenommen hat.
Wie funktioniert das Verfahren?
In der Praxis gilt für die Namensänderung und die Anpassung des Geschlechtsantrags der gleiche Ablauf:
- Zunächst wird ein formloser Antrag beim Amtsgericht gestellt.
- Anschließend holt das Gericht zwei Sachverständigengutachten ein. Diese sollen sicherstellen, dass sich die antragstellende Person wirklich und dauerhaft dem anderen Geschlecht zugehörig fühlt.
Das aktuelle Verfahren wird start kritisiert. Durch die Gutachtenpflicht entstehen hohe Kosten und monatelange Wartezeiten, die von Fall zu Fall stark variieren können. Um die Kosten zu senken kann bei Bedarf Prozesskostenhilfe beantragt werden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die betroffene Person sehr intime Details über ihr Privatleben offenlegen muss. Schließlich stellt sich auch die Frage, wie eine fremde Person eigentlich so etwas persönliches wie die empfundene Geschlechtszugehörigkeit beurteilen kann.
Leichterer Weg über das Personenstandsgesetz?
Nach dem Urteil über die Anerkennung des sogenannten dritten Geschlechts wurde 2019 der § 45b neu in das Personenstandsgesetz eingefügt. Diese Norm ermöglicht es Menschen mit einer „Variante der Geschlechtsentwicklung“ den Namen und Personenstand ohne aufwendiges Verfahren zu ändern.
Statt mehrerer Gutachten muss dabei nur eine ärztliche Bescheinigung beim Standesamt vorgelegt werden. Aufgrund der unbestimmten Formulierung nutzten zwischenzeitlich auch trans Personen diesen Weg. Allerdings hat der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden, dass der Wortlaut ausschließlich intergeschlechtliche Menschen meint und trans Personen weiterhin auf das oben ausgeführte TSG-Verfahren angewiesen sind.
Ein neues Gesetz soll für mehr Selbstbestimmung sorgen
Auf politischer Ebene ist man sich mittlerweile einig, dass das TSG in der aktuellen Form nicht mehr zeitgemäß ist. Nach einem viel kritisierten Gesetzesentwurf des Innenministeriums, wurden die zwischenzeitlich ausgesetzten Reformbemühungen im letzten Jahr wieder aufgenommen.
FDP und Grüne fordern, das TSG durch ein sogenanntes Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Im Mittelpunkt steht dabei die autonome Entscheidung über den Namen und den Geschlechtseintrag. Durch das Gesetz soll eine schnelle und unkomplizierte Änderung ohne Gerichtsverfahren ermöglicht werden.
Kritiker des Entwurfs argumentieren, dass durch ein erleichtertes Verfahren Menschen unüberlegt wechseln und der Geschlechtseintrag damit beliebig werden könnte. Laut des Bundesverbandes Trans e.V. spricht gegen diese Befürchtung, dass in Ländern, in denen eine selbstbestimmte Änderung bereits möglich ist, keine signifikant hohe Zahl an mehrmaligen Änderungen erfolgt ist. Auch in Deutschland ist die Nachfrage nach einer erneuten Änderung sehr gering und tritt nur bei etwa 1 % der Fälle auf.
Habt ihr bereits eine Namens- oder Geschlechtseintragsanpassung durchgemacht? Auf welche Schwierigkeiten seid ihr gestoßen? Wir freuen uns auf eure Geschichten in den Kommentaren!
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Irgendwie freu ich mich immer solche Artikel zu lesen, auch wenn das Thema *hust* nicht schön oder leicht ist. Meine Namen und Personenstandsänderung ist frisch (März 2021). Am schlimmsten fand ich hierfür die Gutachten und die suche nach Psychiatern, die sind ja selbst in Ballungszentren recht rar zumindest wenn sie sich mit dem Thema auskennen sollen. Der Weg zu den Gutachten war nochmal genauso lang und nervenaufreibend. Ich musste eine bestimmte Stundenanzahl bei meiner Psychologin vorweisen, für einen war der “Alltagstest” nicht lang genug weshalb (Ich hab mich erst knapp 10 Monate mit Gabriel ansprechen lassen, weil die Kollegen aus der Arbeit mir das Leben schwer gemacht haben) sich das auch nach hinten verschoben hat. Dann haben die 3 Therapeuten auch noch miteinander Kontakt gehabt und von meiner Endokrinologin (Hormone) wollten sie die Werte noch wissen. Erst dann konnte ich den Antrag stellen, wobei mir das Gericht mitteilen musste sie müssten die Gutachter beauftragen und nicht ich, aber ich muss sie zahlen (1.200,-€ + 560,-€ Gerichtskosten). Dann kam die Begutachtung, 2 Monate später war das ganze bei Gericht. Im Februar war (wegen Corona) die telefonische Verhandlung (der Richter war sehr nett hat nur 15 Minuten gedauert) und seit Ende Februar Anfang März ist es rechtskräftig. Das war nur Namen und Personenstandsänderung Papierkram folgt und Op seh ich auch noch nicht kommen.
Hallo Gabriel,
vielen Dank, dass du deine Geschichte hier mit uns teilst. Erst einmal: Toll zu lesen, dass deine Namen- und Personenstandsänderung endlich durch ist. Dafür braucht man einen langen Atem und viel Geduld – bei etwas so persönlichem und identitätsstiftendem wie dem eigenen Namen und den Pronomen eigentlich ein Unding. Wir hoffen, dass deine Arbeitskollegen dich mittlerweile akzeptieren, wie du bist, und dir nicht länger das Leben schwer machen. Außerdem alles Gute für deinen weiteren Weg! Lass dich nicht von der Bürokratie entmutigen.
Ganz liebe Grüße
Patricia