Viele Städte, Institutionen und Organisationen haben mittlerweile eine gendergerechte Sprache eingeführt, um ihre Adressat:innen genauer anzusprechen. Von manchen werden solche Bemühungen als Verkomplizierung der Sprache, als Wortverbot, als Behandlung eines Luxusproblems oder als das Aufspringen auf einen “Gender-Trend” gescholten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Wir von „Busenfreundin – das Magazin” nutzen den Doppelpunkt. Dieser hat den Vorteil, dass er beim Vorlesen für sehgeschädigte Menschen als Pause gelesen wird – und somit vermutlich die deutlichste Form des Genderns ist. Doch ob nun Doppelpunkt oder Sternchen, eines haben diese unterschiedlichen Herangehensweisen gemeinsam: es ist wichtig, sie zu nutzen! Warum erklären uns die Kollegen von Schlau Dortmund im unten stehenden Artikel.
- Erstens wird die Sprache nicht durch ein Gendersternchen eingeengt, sondern erweitert, da wir nun Vokabeln dafür haben, Menschen zu adressieren, die wir vorher nicht einmal benennen konnten. Das ist eine unglaubliche Chance, die wir nutzen sollten. Warum sollten wir uns mit überholten Ausdrucksweisen selbst beschränken? Oder wie Wittgenstein sagte: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“.
- Zweitens hat sich Sprache immer wieder verändert und wird sich auch immer wieder verändern (wer z.B. den vermeintlichen Sprachverfall durch die Einführung von Anglizismen in der deutschen Sprache kritisiert, vergisst, dass wir über viele Jahre auch etliche lateinische, französische oder italienische Wörter entlehnt haben. Mit dem Gendersternchen ist der Mechanismus ganz ähnlich – wenn auch inhaltlich anders).
- Drittens geht es nicht um Sprache. Es geht darum, Menschen mit ins Boot zu holen, die wir zuvor außen vorgelassen haben. Das muss auf allen Ebenen passieren. Auch auf der sprachlichen. Sich daher darüber zu streiten, ob jetzt ein Sternchen zu kompliziert ist oder nicht, geht am Thema vorbei. Der Genderstern ist nur ein einziger von tausenden Sternen am Himmel, die es braucht, um Diskriminierung abzubauen.
Diskriminierung findet auch innerhalb der deutschen Sprache statt
Die Einführung einer gendergerechten Sprache lediglich auf sprachlicher Ebene zu kritisieren, ist zu kurz gegriffen. Diskriminierungen finden tagtäglich auf verschiedensten Ebenen statt und äußern sich z.B. durch Gender-Pay-Gaps auf finanzieller Ebene (Sexismus), Racial Profiling auf polizeilicher Ebene (Rassismus) oder der damaligen Strafverfolgung von Homosexualität sowie der heutigen Pathologisierung von Trans*-Identitäten durch das sog. Transsexuellengesetz auf gesetzlicher Ebene in Deutschland (Homophobie, Trans*feindlichkeit).
Diskriminierung hat viele Ebenen, der auf vielen Ebenen begegnet werden muss. Dies geschieht z.B. durch Gesetzesänderungen, Dialog und Aufklärung und eben auch durch Sichtbarmachung von Missständen. Probleme können aber nur dann auch sichtbar werden, wenn wir diese benennen können. Wenn unsere Sprache bisher binär war – also nur Frauen und Männer adressiert – werden andere Identitäten gar nicht sichtbar. Wie aber soll dann überhaupt über sie gesprochen werden? Es fehlen die Worte.
Was ist der Sinn hinter dem Gendersternchen?
Der Genderstern ist ein Versuch, Diversität auch sprachlich sichtbar zu machen. Denn es gibt viele Untersuchungen, die zeigen: wenn Menschen z.B. das Wort „Physiker” hören, denken sie eben nicht automatisch an alle Geschlechter, sondern stellen sich vor allem eine männliche Person vor, die sich mit Physik beschäftigt. Auch wenn immer wieder der Einwand kommt, dass zwischen Genus und Sexus (also grammatikalischem und natürlichem Geschlecht) differenziert werden müsse: Frauen und nicht-binäre Menschen werden beim generischen Maskulinum nicht mitgemeint.
Nicht-binäre Menschen hat es schon immer gegeben
All denjenigen, die jetzt immer noch denken, es handele sich bei der aktuellen Sichtbarwerdung und Sichtbarmachung von nicht-binären-Geschlechtsidentitäten um den neusten Trend, empfehlen wir einen Blick über den Tellerrand hinaus: In anderen Ländern und Kulturen gibt es seit jeher viele Bezeichnungen für unterschiedlichste Geschlechtsidentitäten.
Was oft vergessen wird, ist die kolonialrassistische Tradition des Zwei-Geschlechter-Systems (siehe dazu etwa B. Binaohan in „Decolonizing Trans/Gender 101“). Denn in nicht-westlich-christlichen Gesellschaften gab und gibt es andere Geschlechtersysteme, die mehr als zwei bzw. andere Geschlechter kannten – die Baklâ auf den Philippinen, die Māhū auf Hawaii oder die Two Spirit in Nordamerika, um nur einige wenige zu nennen. Im Zuge des Kolonialismus wurden diese Systeme gewaltsam zerstört. Damit wurde nicht-binären und nicht-weißen Personen ein untergeordneter Platz in der Gesellschaft zugeordnet. Quelle
Dass hierzulande nun Bemühungen entstehen, Identitäten sichtbar zu machen und ihnen Rechte einzuräumen, die ihnen über Jahrhunderte negiert und abgesprochen wurden, ist also längst überfällig. 2017 hat auch das Bundesverfassungsgericht gesetzlich zuerkannt, dass Menschen, „die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen” durch Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG „vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts” geschützt werden.
Abschließend bleibt zu sagen: Es gab und gibt mehr als zwei Geschlechter. Dies müssen wir anerkennen – nicht nur, aber auch in unserer Sprache.
Dieser Text wurde von Schlau Dortmund erstellt, einer bundesweiten Institution, die über sexuelle Vielfalt aufklärt. Der Artikel ist in seiner Gänze hier nachzulesen.
Übrigens: zwei Vertreterinnen von Schlau Dortmund waren auch bei Ricarda im Podcast zu Gast. Hört hier in die aktuellste Folge rein:
Wie denkt ihr darüber? Gendert ihr? Warum ist es wichtig? Lasst uns gerne eure Meinungen in den Kommentaren hier!
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